Die Scheuche Der Hasenvuss

Zwei Unwahrheiten und ein Gleichnis

Die Scheuche und ich sind Landwirt:innen: wir haben Land, auf dem wir Pflanzen anbauen, die uns Nahrungsmittel liefern. Wir sind aber keine Stallwirt:innen, wir haben also keine Ställe, in denen wir Tiere halten. Wenn man differenzieren möchte, gibt es unter den Bauern jene, die Landwirtschaft betreiben, jene, die Stallwirtschaft betreiben, und jene, die beides machen. In der Diskussion mit tierhaltenden Stallwirt:innen hören wir oft die Behauptung, sie würden Lebensmittel produzieren. Das ist die erste Unwahrheit.

Stellen wir uns eine Fabrik vor, in die täglich 10 Leitern geliefert werden und die am Ende des Tages daraus 5 Leitern macht. Zu behaupten, diese Fabrik produziere Leitern, ist klar absurd, denn sie vernichtet durch den Produktionsprozess jeden Tag genau 5 Leitern.

Auch wenn ein Teil der Ernährung von sogenannten Nutztieren aus für uns Menschen nicht verwertbaren Pflanzen besteht, ist rund die Hälfte des Futters aus Lebensmitteln wie Mais oder Soja, die auch für Menschen essbar sind. Pro 100 Kalorien, die eine Kuh konsumiert, kommen 4 Kalorien für uns Menschen raus, wenn wir die Kuh essen. Die Leitern in dem Gleichnis stehen also für Kalorien. Abgesehen von der ethischen Fragestellung zur Tierhaltung allgemein, ist dies daher eine irrsinnige Vernichtung von Kalorien. Selbst unter der Annahme, dass 50 Prozent der mit dem Futter zugeführten Kalorien für uns Menschen nicht verwertbar sind, verwandeln Rindfleischproduzent:innen immer noch 50 Leitern in nur 4 Leitern und behaupten dabei, Leiterproduzent:innen zu sein.

Wenn Tierhalter:innen auf diese, durch viele Studien belegte Tatsache hingewiesen werden1, tritt die zweite Unwahrheit zutage. Die Mär von der Veredelung irgendwelcher nicht näher genannten Proteine. Wir wissen allerdings mittlerweile, dass alle essentiellen Aminosäuren – aus denen Proteine aufgebaut sind – in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten sind. Darüber hinaus wissen wir auch, dass pflanzliche Proteine nicht nur vollkommen ausreichend, sondern sogar noch besser für uns Menschen als Nahrung geeignet sind. Der Konsum tierischer Proteine ist die Ursache vieler Erkrankungen, die bei der Ernährung mit pflanzlichen Proteinen nicht auftreten, und verarbeitetes Fleisch ist mittlerweile in der WHO-Klassifizierung in derselben krebserregenden Kategorie wie Zigaretten2.

Stellen wir uns hierzu eine Fabrik vor, die täglich CO2-neutral 50 sichere Leitern produziert und eine zweite Fabrik, die aus diesen 50 Leitern auf umweltschädigende sowie C02-, methan- und lachgasproduzierende Art und Weise 4 Leitern macht, die alles andere als sicher sind. Zu behaupten, diese Fabrik verwandelt schlechte Leitern in bessere, ist ebenfalls klar absurd.

Richtig ist, dass die Lebensmittelvernichtung bei der Schweinehaltung oder Geflügelhaltung nicht so hoch ist wie bei Rindern, aber ein erhebliches Minusgeschäft in Kalorien und Qualität sind sie ebenfalls. Es drängt sich daher die Frage auf, weshalb wir auf diesem Planeten Arbeit und Geld in die Vernichtung und Verschlechterung von Lebensmitteln stecken. Von der Vielzahl damit einhergehender Probleme wie Artensterben oder Zoonosen, die wir als Malus dazu erhalten, ganz zu schweigen. Unsere Zukunft liegt in der Landwirtschaft, aber ganz sicher nicht in der Stallwirtschaft.


1 Alon Shepon, Gidon Eshel, Elad Noor, Ron Milo. The opportunity cost of animal based diets exceeds all food losses. In Proceedings of the National Academy of Sciences, Apr 2018, 115 (15) 3804-3809.

2 Lancet Oncology (2015; doi: 10.1016/S1470-2045(15)00444-1).