Die Scheuche Der Hasenvuss

Eine Vabel

Die Scheuche und ich schenken uns gelegentlich etwas, und neulich bekam ich Peter Wohllebens komplett unesoterisches Buch „Das geheime Leben der Bäume“ überreicht. Neben dem Lesevergnügen und den spannenden Informationen berührte mich eine Stelle besonders.

Das katastrophalste, was einem Baum passieren kann, ist, dass er durch einen Sturmwind umgeworfen wird. Das kann, nach Wohlleben, wie folgt passieren: Zuerst biegt ein starke Windböe den Baum in eine Richtung; dieser federt danach zurück und biegt sich dadurch in die Gegenrichtung. Auch davon federt der Baum wieder zurück und wenn in diesem Moment eine zweite Böe kommt, kann sie den Baum, der eh schon in diese Richtung unterwegs ist, umstürzen.

Da allerdings jeder Baum ein Individuum ist und seine Fasern intern etwas anders verlaufen als die Fasern der ihn umgebenden Bäume, ist die Biegerichtung bei jedem Baum ein bisschen anders. Dies bedingt, dass die in unterschiedliche Richtungen zurückfedernden Bäume sich gegenseitig durch ihre Kronen abfedern und somit das möglicherweise tödliche, zweite Zurückfedern verhindern. Wohlleben schreibt dazu „Es ist immer wieder faszinierend, das Spiel der Kronen zu sehen und damit gleichzeitig die Sozialgemeinschaft und ihre einzelnen Individuen zu beobachten“ Ibid:128

In unseren Gruppen diskutieren wir oft kontrovers und die Vielfalt an Meinungen entspricht meist der Anzahl der Teilnehmer. Gerne möchte man dies verfluchen und sich homogen geformte Aktivist*innen schnitzen, welche immer einer Meinung sind und stets am selben Strang ziehen, aber vielleicht können wir von dem Beispiel der Bäume etwas lernen. Das Kollektiv funktioniert am besten, wenn es aus unterschiedlichen Individuen besteht, von denen jeder etwas anders tickt. Wichtig ist dabei nur, dass sie sich nahe sind und beisammen stehen, um sich gegenseitig abzufedern, auch wenn das – im wahrsten Sinne des Wortes – gelegentlich etwas aufreibend sein kann.