Im Tempel

Die Scheuche und ich waren heute mal wieder in einem Einkaufstempel – was wirklich reiner Zufall war – ich meine wirklich. Es war ein Sonntag und wir gönnten uns – nachdem wir am Tag zuvor einen eisigen, aber erfolgreichen Tag am Stand verlebt hatten – mal wieder ein paar warme Gänge in der Sauna. Zufällig hatte der daneben gelegene Einkaufstempel seinen verkaufsoffenen Sonntag, und die Massen strömten, sahen und shoppten. Da uns die Biomöhren ausgegangen waren, beschlossen wir anschließend den darin situierten Supermarkt für uns zu nutzen und begaben uns ins Getümmel.

Ich möchte jetzt weder die ätzend künstliche Luft, das falsche Licht und die aufdringliche Geräuschkulisse beschreiben noch die Menschenmassen, die sich durch die Einkaufspassagen drängten, sondern etwas anderes. Ein paar unserer Kinder nötigte uns neulich einmal eine Satiresendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu schauen, welche ihnen ganz gut gefiel. Nach einer halben Stunde seichter Satire waren wir zumindest um das Wort „Selbstverdatung“ reicher. Dieses beschreibt die Bereitschaft, mit der die sogenannten „Millenials“ ihren aktuellen Standort, ihre jeweiligen Tätigkeiten, momentanen Präferenzen etc. dem Internet preisgeben.

Als wir mit unseren Möhren zurück zum Ausgang schlenderten, kamen wir an einer Schlange von Menschen vorbei, die sich an einer Reihe von Automaten eine Art Soft-Eis, Sirupe und Zuckerbelege zapften, um diese am Ende der Schlange an einer Kasse zu bezahlen. Was für ein Wahnsinn: Hier waren Menschen, die sich etwas zubereiten und dann bezahlen, welches wir nicht einmal anfassen geschweige denn essen würden, selbst wenn man uns die Summe bieten würde, die diese Kunden dafür zahlten.

Damit war für mich ein weiteres neues Wort geboren „die Selbst-verschrottung“. Ein geniales System, bei dem gleich zweimal abkassiert wird. Einmal zahlen die Menschen dafür, sich selber ungesund zu machen – also für die eigene Selbstverschrottung - und dann ein zweites Mal, wenn sie versuchen, die Folgen der Selbstverschrottung loszuwerden. Prosit. Es kann wohl doch nur einem der beiden gut gehen - dem Tempel der freien Markwirtschaft oder dem der Seele¹.

¹ Mit dem Wort Seele meine ich Mensch.