Die Scheuche Der Hasenvuss

Herden und Horten

Als Menschen im Nahen Osten um 10.000 vor der Zeitrechnung mit der Landwirtschaft begannen, wurde ein neues Kapitel in der Menschheitsgeschichte eröffnet. Neben dem Anbau von Pflanzen fingen einige Völker ebenfalls an, Tiere zu halten und zu züchten. Es vollzog sich in den folgenden Jahrtausenden ein kultureller Wandel von meist nomadischen Sammlern-Kulturen hin zu einer sesshaften Viehhalter-Kultur.

Anders als Ackerland kann sich eine Herde von einem Ort zum anderen bewegen oder bewegt werden. Es ist sogar notwendig, Herden immer wieder auf neues Weideland zu führen, da die ursprünglichen Weidegründe schnell ausgelaugt sind. Untersuchungen von verschiedenen Kulturformen zeigten, dass sich Viehhalter-Kulturen besonders durch kriegerische Expansionen von anderen Kulturformen unterscheiden. Neben der kriegerischen Ausdehnung ihrer Territorien gehören ebenfalls Überfälle auf die Herden anderer Stämme zu dem Verhalten von Viehhalter-Kulturen. Geschichtsökonomen sehen zudem Vieh als eine der ersten Formen von Privateigentum an. Auch unser Wort „Kapital“, wörtlich „Viehkopf“, ist Namenspate für die Wirtschaftsform des Kapitalismus, womit wir, neben den kriegerischen Expansionen und Überfällen, schon bei der nächsten Langzeitfolge der Viehhaltung angekommen sind, dem Kapitalismus.

In den Jahren vom Anfang der Landwirtschaft bis heute fanden noch andere Veränderungen statt. Zum einen wandelte sich das Bild der Natur und von den Tieren. Für den Landwirt ist die Natur gefüllt von Schädlingen und Unkraut, die seinen Ertrag mindern. Für Landwirte und Herdenbesitzer wurde die Natur zum Feind, der ihre Existenz bedrohte. Alles animalische und bestialische wurde negativ konnotiert - und bis in die Neuzeit versucht unsere Kultur alles, was Menschen und Tiere gemeinsam haben, zu unterdrücken und als triebhaft, animalisch oder verwerflich anzuprangern. Diese Folge der kulturellen Veränderung wird als „Misotherie“ – also die Verachtung des Natürlichen – bezeichnet.

Des Weiteren lernten Viehalter, den Zusammenhang zwischen sexueller Befruchtung und Zeugung zu verstehen, das bislang unbekannte Konzept der „Vaterschaft“ entstand ebenfalls in diesem Zeitraum. Damit verbunden kam es auch zu einem religiösen Wandel. Ursprüngliche Völker verehrten ihre jeweiligen (Ahnen-)Tiere. Später wurden dann Frauen – aufgrund ihrer Fruchtbarkeit – verehrt. Am Ende der Entwicklung, nachdem die Rolle des Mannes bei der Zeugung erkannt wurde, gab es nur noch einen männlichen Gott. Zwischen 5.000 und 3.000 vor der Zeitrechnung hörten Frauen auf, gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft zu sein und wurden den Männern untergeordnet.

In ihren expansionistischen Kriegszügen töteten die Viehhalter-Kulturen die männlichen „Feinde“, und nahmen Frauen und Kinder zwecks Nutzung als Arbeitskräfte und zur Zeugung neuer Arbeiter. Allein um die sumerische Hauptstadt Lagash herum wurden vor viertausend Jahren circa 6.400 Frauen als Sklaven in Lagern gehalten, um manuelle Arbeiten zu verrichten und neue Sklaven zu zeugen. Die männlichen Nachkommen wurden – analog zu Tieren – ebenfalls für schwere körperliche Arbeit genutzt. Nach den aktuellen kultur-geschichtlichen Erkenntnissen müssen Kriege, Kapitalismus, Sklaverei und Diskriminierung also tatsächlich als direkte Folge der Tierhaltung eingeordnet werden.