Die Scheuche Der Hasenvuss

Der Gipfel

Die Scheuche und ich haben neulich eine lokale Gruppe der Animal Save Bewegung mitgegründet. Diese Bewegung hält mittlerweile an über 200 Orten weltweit Wachen vor Schlachthöfen ab. In diesen Aktionen versammeln sich die Aktivisten nicht, um gegen die Verbrechen, die in den Schlachthöfen geschehen, zu protestieren, sondern, um Zeuge dieser Todestransporte zu werden und die Existenz der dort verscheidenden Individuen zu dokumentieren. In manchen Städten geschieht das in einer Art von Kooperation mit den Schlachthofbetreibern, die die Tiertransporter anweisen, kurz vor den Toren anzuhalten, damit die Aktivisten ein wenig Zeit mit den darin befindlichen Tieren verbringen können und diesen beispielsweise noch etwas Wasser zu trinken anbieten können. Um die erste Aktion in unserer Gegend zu planen, wurden einige Aktivist*innen ausgeschickt, um geeignete Schlachthöfe zu lokalisieren und mit den Betreibern Kontakt aufzunehmen.

Ich möchte von unserem Treffen mit dem Geschäftsführer eines der Schlachthöfe, die wir aufgrund einer vorherigen Erkundungstour für tauglich halten, berichten. Es ist sicher nicht üblich für die Betreiber von Schlachthöfen, sich mit „Leuten wie uns“ zu treffen, und es überraschte uns schon ein wenig, dass sich der zuerst Angesprochene direkt zu einem Treffen bereit erklärte. So fuhren wir zurück an diesen Ort des Todes für über 1,5 Millionen Schweine pro Jahr und sprachen 90 Minuten lang mit dem Geschäftsführer und dem Verantwortlichen für Öffentlichkeitsarbeit im Verwaltungstrakt des Schlachthofes in einem üblichen Besprechungsraum mit Fenstern zu Straße, an denen im Minutentakt beladene Schweinetransporter vorbei fuhren.

Es war unseren Gesprächspartnern von Vorneherein anzumerken, dass sie nicht glücklich darüber sind, wie der gesellschaftliche Wind sich gegen sie dreht. Trotzdem waren ihre Aussagen doch vielfach bemerkenswert. Neben den üblichen „Was-ist-mit-ismen“, wie „Was ist mit den hungrigen Kindern in Indien“ und Standardabsurditäten wie „Die Menschheit würde ohne den Fleischkonsum verhungern“ waren jedoch auch ein paar echt schräge Töne dabei. So meinte der Geschäftsführer zum Ende hin, dass er schließlich derjenige sei, der die Tiere und deren (natürlich kurzes) Leben erschaffe, und wir (Veganer) diejenigen wären, die alle Tiere in der Welt abschaffen wollten. Vielleicht fühlt er sich als Herr über Leben und Tod von Millionen von Wesen tatsächlich irgendwie gottgleich. Neben unserem konkreten Anliegen fand er auch die Gesellschaftliche Entwicklung als solche nicht gut, es könne ja nicht angehen, meinte er mehrfach, dass man zwar das Wort „Neger“ nicht mehr sagen dürfe, aber unbestraft Landwirte als Tierquäler bezeichnen kann.

Zum Schluss wurden wir gefragt, ob wir auch die kürzlich vor seinem Haus umgestürzte und damit verstorbene Birke besuchen wollen, um ihr ein letztes Geleit zu geben, und machte wieder mal deutlich, dass die Strategie der Gleichsetzung von Tieren mit Pflanzen eine sehr beliebte ist, um die Dissonanz im eigenen Kopf zu besänftigen. Letztendlich sprach der Pressesprecher noch den wohl wahren Grund aus, weshalb sie nicht mit uns kooperieren wollen: Es geht ihnen darum, die Hoheit über die Bilder, die aus der Massentierhaltung und -schlachtung kommen, zu behalten. Diese Bilderhoheit werden wir ihnen jedoch nehmen und von nun an in unseren monatlichen Wachen am Eingang des Schlachthofs nicht wegschauen, sondern Zeuge der Verbrechen sein, die dort tagtäglich geschehen.