Die Scheuche Der Hasenvuss

Der Hasenvuß und ich über Aufrichtigkeit

Bereits drei Monate vor dem großen Ereignis hatte der beste aller Chefs zur Feier seines runden Geburtstags geladen, damit sich alle den Termin rechtzeitig blockieren konnten. Der Hasenvuß und ich zögerten unsere Zusage so lange es ging hinaus – immer in der Hoffnung, ein anderes Ereignis würde dazwischen kommen und unsere Teilnahme am Fest verhindern. Warum das? Mochten wir unsere Kollegen nicht? Waren wir unsozial, Misanthropen? Mitnichten, unsere Arbeitsgruppe ist ein tolles Team mit einem Chef, den man sich besser nicht wünschen könnte.

Aber: Wir führen seit vielen Jahren ein Leben weitestmöglich ohne Tierleid, wir engagieren uns für Tierrechte und Antispeziezismus und suchen dementsprechend zunehmend Kontakt und die Gesellschaft derer, die eine ähnliche Stufe der Zivilisation (subjektiv, klar) erklommen haben wie wir. Auf einer Insel der Glückseligkeit leben wir zwar – noch – nicht, aber zumindest für den Teil der Nahrungsaufnahme gelingt es uns mittlerweile recht erfolgreich, uns nur noch unter Gleichgesinnten oder für den Moment anpassungswilligen (kooperativen, aufgeschlossenen) Menschen zu bewegen. Diese selbst gewählte Isolation führt zwangsläufig dazu, immer mehr Distanz zu dem aufzubauen, was einst auch für uns „normal“ war. Bei solchen Festen nimmt das gemeinsame Essen üblicherweise einen nicht geringen Teil ein, so auch hier. Doch, es gab ein extra veganes und ein vegetarisches Gericht beim Buffet, wir befinden uns schließlich in aufgeklärten und progressiven Kreisen, und ja, das vegane Essen hat sehr gut geschmeckt, außerdem waren viele der Salate vegan. Keinerlei Klagen über die Qualität des Essens, und der grundsätzliche positive Trend ist erkennbar.

Trotzdem: Zusehen zu müssen, wie andere Menschen sich Leichenteile einverleiben, wird immer unerträglicher für uns. Menschen, die man im Arbeitsalltag mag und schätzt, legen dabei ein Verhalten an den Tag, das Übelkeit aufkommen lässt. Ich möchte sie schütteln und möchte sie meine Gedanken und Überzeugungen spüren lassen, damit sie sofort und ein für alle mal aufhören damit. Nein, natürlich zeige ich das nicht, selbstverständlich bin ich tolerant. Indem wir mit ihnen am Tisch sitzen und so tun als würde uns ihr Tun nicht stören, legen wir ein verlogenes Verhalten an den Tag. Darum wird uns ein unbeschwerter Abend unter Karnivoren nie mehr möglich sein.